19. April 1967: Vor 50 Jahren starb Konrad Adenauer

18.04.2017

Die Öffentlichkeit sorgte sich bereits seit Tagen um die Gesundheit des Altkanzlers: „Adenauers Kraft lässt nach“ war auf der Titelseite der Siegener Zeitung vom 13. April zu lesen, tags später hieß es „Adenauers Befinden nicht hoffnungslos“. Da lag der 91-jährige Patient in seinem Rhöndorfer Wohnhaus unter einem Sauerstoffzelt. Am 15. April titelte die SZ „Heute Mittag Adenauers Zustand unverändert“, mit dem Zusatz in der Unterzeile „Ärzte ringen um das Leben des 91jährigen“. „Viele hoffen auf ein Wunder“, drückte die SZ mit ihrer Überschrift die Hoffnung auf eine Genesung aus. Solche Wünsche waren zu dieser Zeit aus weiten Teilen der Bevölkerung sowie von zahlreichen Staatsoberhäuptern und Regierungschefs an „den Alten“ gerichtet worden. Am 18. April lautete die Schlagzeile „Leichte Besserung im Befinden Adenauers“, relativiert am Folgetag „Adenauers Befinden sehr ernst“.
Dieser 19. April datiert dann als Todestag des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik. Um 13.21 Uhr war er verstorben. Beamte des Bundesgrenzschutzes, die sein Wohnhaus bewachten, setzten wenige Minuten später dort die Bundesflagge auf Halbmast. Mit diesem Zeichen nahmen die vielen vor dem Haus warteten Medienvertretern und die Öffentlichkeit das Ableben Adenauers wahr. Kurz darauf unterbrachen alle Rundfunkstationen für die Todesnachricht ihr Programm, zahlreiche Zeitungen gaben Extrablätter heraus, in Rhöndorf läuteten um 14:00 Uhr die Kirchenglocken zum Gedenken an den Verstorbenen.
Erster Kondolenzbesucher im Trauerhaus Adenauer war eine Stunde nach dem Tod des Altkanzlers der französische Botschafter François Seydoux de Clausonne, der maßgeblich den Élysée-Vertrag für die Deutsch-Französische Freundschaft mit vorbereitet hatte. Mit dieser besonderen Geste wird die europäische Dimension des Wirkens von Adenauer deutlich. Die Aussöhnung mit Frankreich bedeutete für ihn das Fundament der europäischen Völkerverständigung. Und so gilt der Abschluss des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrages am 22. Januar 1963 als ein Höhepunkt seines politischen Wirkens, ein Markstein also am Beginn seines letzten Kanzlerjahres. Botschafter Seydoux kam in das Trauerhaus, um im Namen von Präsident de Gaulle zu kondolieren. Adenauer empfing Staatsgäste zumeist in seinem Dienstsitz, dem Bonner Palais Schaumburg. Die Ausnahme blieb de Gaulle, den Adenauer gleich zweimal, 1961 und 1962, zu sich in den „Zennigsweg 8a“ eingeladen hatte, was das besondere Verhältnis zwischen beiden unterstrich.
An jenem 19. April 1967 unterrichtet Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier um 14:30 Uhr im Plenarsaal das Parlament vom Tod des Altkanzlers. Weiße Nelken schmückten Adenauers angestammten Platz in der vordersten Reihe des Bundestages. Bundespräsident Heinrich Lübke, der am Todestag Adenauers in Berlin weilte, ordnete umgehend für den Verstorbenen einen Staatsakt und ein Staatsbegräbnis an. Als Termin dafür, wie für die Trauerfeier im Hohen Dom zu Köln, der Stadt, in der er so viele Jahre kommunalpolitisch tätig war, wurde Dienstag, 25. April 1967, bestimmt. Lübke: „Als erster Bundeskanzler hat er jene Kontinuität demokratischen, rechtsstaatlichen Denkens und europäischer Gesinnung wieder hergestellt, die von den Nationalsozialisten unterbrochen war.“ Er habe seinem Vaterland mit beispielhafter Hingabe gedient. Schon tags später kündigten der französische Staatspräsident Charles de Gaulle, US-Präsident Lyndon B. Johnson und der britische Premierminister Harold Wilson ihr Kommen zu den Trauerfeierlichkeiten an.
In seiner Erklärung sagte der amerikanische Präsident: „Die Amerikaner betrauern das Ableben des Kanzlers Konrad Adenauer. Für uns, für Europa und für die Welt wird er immer ein Symbol der Lebenskraft und des Mutes des deutschen Volkes sein. Niemals werden wir seinen lebenslangen Widerstand gegen die Tyrannei in jeder Form vergessen. Wir werden auch nicht vergessen, wie er mit eindeutiger Entschlossenheit sein Volk von den Ruinen des einer wohlhabenden und geachteten Position in der Familie der freien Völker zugeführt hat. Konrad Adenauer wird überall vermisst werden, aber sein unbezähmbarer Geist wird in der atlantischen Partnerschaft weiterleben, zu deren Errichtung er so viel beigetragen hat. Von dem Beitrag, den er leistete, werden alle freien Menschen Nutzen ziehen. Ein größeres Denkmal kann es für die Erinnerung an einen großen und geliebten Mann nicht geben.“
In dem Telegramm von Charles de Gaulle an Bundespräsident Lübke heißt es: „Frankreich nimmt Anteil an der Trauer Deutschlands. In seinem Namen verbeuge ich mich mit Respekt vor demjenigen, der einer der großen Staatsmänner dieser Zeit war. Im Anschluss an den schrecklichen Krieg hat der Kanzler Adenauer sein Land erneuert . Er hat unermüdlich für die Schaffung Europas gearbeitet. Er hat sich zum Vorkämpfer der Aussöhnung Frankreichs und Deutschlands gemacht.
Der Britische Premier Harold Wilson schrieb an Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger: „Dieser große deutsche Staatsmann leistete Überragendes nicht nur für den Wiederaufbau seines eigenen Landes und die Entwicklung der deutschen Demokratie, sondern auch für die Sache der europäischen Einigung und für die Zusammenarbeit zwischen den Staaten des westlichen Bündnisses.
Die hohe Bedeutung Adenauers für Europa hob auch Prof. Walter Hallstein, Präsident der EWG-Kommission, hervor: „Was heute im europäischen Brüssel geschieht, ist ohne Adenauers Leistung, ihre Geradlinigkeit, Konsequenz und Treue zum Gedanken der europäischen Einigung völlig undenkbar.“
Ludwig Erhard, zu dieser Zeit CDU-Vorsitzender, sagte über seinen Vorgänger: „Mit seinem Namen ist der Wiederaufstieg der Bundesrepublik Deutschland untrennbar verbunden. Als er 1963 aus dem Amt schied, waren wir wieder ein Land, auf das die Gemeinschaft der freien Völker zählen kann und das in der Welt wieder Vertrauen und Ansehen erlangt hat.
In seiner Rede vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stellte deren Vorsitzender Rainer Barzel fest: „Adenauer starb mit Sorgen. Seine Unruhe für Europa trieb ihn bis zuletzt.“ Er nahm dann ein altes Adenauer-Zitat auf, mit dem dieser einst sein Anliegen formuliert hatte: „Ich habe den Wunsch, dass später einmal, wenn die Menschen über den Nebel und den Staub dieser Zeit hinwegsehen, von mir gesagt werden kann, dass ich meine Pflicht getan habe.“ Barzel: „Konrad Adenauer hat mehr als seine Pflicht getan.
Auch Helmut Schmidt, damals Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, würdigte den Verstorbenen ausführlich: „Mit Konrad Adenauer ist eine Persönlichkeit besonderen Ranges von uns gegangen, der auch diejenigen Respekt und Hochachtung nicht versagen, die lange Jahre seine politischen Gegner gewesen sind. Seine Verdienste um den Aufbau des demokratischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland sind unbestritten. Wir Sozialdemokraten haben lange Jahre hindurch mit Konrad Adenauer um den künftigen Kurs unseres Staates in der Außen- wie in der Innenpolitik gerungen. Dabei sind manche Wunden geschlagen worden, die zum Teil nur schwer heilen wollten. Erst in den letzten Jahren hat es ein wachsendes Maß an gegenseitigem Verständnis gegeben. An der Bahre des Toten aber endet jeder Streit. Wir verneigen uns in Ehrfurcht vor einem Mann, der für sein Volk großes gewollt und Großes erreicht hat.
Der SPD-Vorsitzende und Außenminister Willi Brandt erklärte in einem Fernsehbeitrag: „Wir verneigen uns vor Konrad Adenauer als Architekten der Bundesrepublik Deutschland, als deutschem Staatsmann von europäischem Rang. Er hat den freien Teil Deutschlands zum Verbündeten des Westens gemacht, der westeuropäischen Einigung starke Impulse gegeben und sich nicht zuletzt der deutsch-französischen Aussöhnung gewidmet. Das geteilte deutsche Volk im Zuge der europäischen Entwicklung zusammen zu führen, hat er als Vermächtnis hinterlassen.
Adenauer, so hieß es von Kommentatoren, habe viele politische Leben gelebt: Er wurde am 18. September 1917 einstimmig zum Kölner Oberbürgermeister gewählt. Die Nationalsozialisten setzten ihn am 12. März vorläufig und am 27. Juli 1933 endgültig ab. Der 57-jähriger lebte danach zunächst in Neubabelsberg bei Berlin und zog sich dann nach Rhöndorf zurück. Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 gehörte auch Adenauer zu denen, die die Gestapo verhafteten, kurz vor Kriegsende  wurde er freigelassen.
Die amerikanische Besatzungsmacht setzte Adenauer im Mai 1945 wieder als Stadtoberhaupt von Köln ein, wenige Monate später waren es die Engländer, die ihn am 6. Oktober 1945 erneut aus dem OB-Amt entfernten. Er hatte sich unwillig gezeigt, den Besatzungswillen folgsam zu vollziehen.
Durch diesen Umstand konnte er jedoch ein neues politisches Kapitel aufschlagen:  Am 1. März 1946 übernahm er in Neheim-Hüsten den Vorsitz der CDU in der britischen Besatzungszone. Im Oktober 1946 trat er sein Mandat im nordrhein-westfälischen Landtag an, zunächst als von der Besatzungsmacht berufenes Mitglied. Am 2. Oktober 1946 wählten ihn seine Landtagskollegen zum CDU-Fraktionsvorsitzenden. Nach der ersten Landtagswahl am 20. April 1947 kehrte er als gewählter Abgeordneter in das Landesparlament zurück. Adenauer blieb übrigens „MdL“ bis zum 17. Juni 1950. Der NRW-Landtag bestimmte ihn als Delegierten in den Parlamentarischen Rat, der am 1. August 1948 erstmals in Bonn zusammentrat und ein Grundgesetz für die neue Bundesrepublik Deutschland entwickeln sollte. Die Mitglieder des Rates votierten am 1. September 1948 für Adenauer als Präsidenten dieses Gremiums.
Am 15. September 1949 stellte sich Adenauer im Bundestag der Wahl zum Bundeskanzler. Die Union war zuvor als stärkste Fraktion aus der Bundestagswahl am 14. August 1949 hervorgegangen. 202 von 402 Abgeordneten votierten für ihn, er errang das Amt also mit einer Stimme Mehrheit, seiner eigenen, wie später immer wieder kolportiert wurde. Dem Bundestag gehörte Adenauer bis zu seinem Tod im April 1967 an, Kanzler blieb er bis zum 15. Oktober 1963, als er von dem Platz auf der Regierungsbank auf den Sitz im Plenarsaal wechselte. Einen Tag später wurde Prof. Dr. Ludwig Erhard zu seinem Nachfolger gewählt.
Konrad Adenauer fand am Abend des 25. April 1967 seine letzte Ruhestätte auf dem Waldfriedhof in Rhöndorf. Deutschland und die Welt hatten sich zuvor in Bonn und Köln bei dem bis heute größten Staatsbegräbnis in der Bundesrepublik von Adenauer verabschiedet.  Die Siegerländer CDU ehrte den CDU-Ehrenvorsitzenden und Gründungskanzler mit einer Trauerfeier am 22. April 1967 in der Weißtalhalle in Kaan-Marienborn.
Mehrfach hatte Adenauer das Siegerland bereist. Unvergessen ist eine Großkundgebung am 2. Juli 1957, bei der 15.000 Menschen zum Siegener Kornmarkt gekommen waren, um den Bundeskanzler u hören. Seine letzte Visite ins Kreisgebiet führte ihn am 12. August 1965 nach Freudenberg, wo er am Platz vor der Sparkasse (heute Mórer Platz) begeistert empfangen worden war.