Hebammen und Entbindungspfleger-Ausbildung in Siegen-Wittgenstein

23.05.2018

Antrag zur nächtsen Kreistagssitzung

Sehr geehrter Herr Landrat Müller,

die CDU-Kreistagsfraktion beantragt, der Kreistag möge beschließen:

1.        Der Landrat wird beauftragt, mit den Kliniken im Kreis Siegen-Wittgenstein, der Universität Siegen sowie der zuständigen Aufsichtsbehörden Gespräche mit dem Ziel zu führen, im Kreis Siegen-Wittgenstein eine Ausbildung für Hebammen und Entbindungshelfer zu begründen.

2.        Der Gesundheitsausschuss wie der Ausschuss für Soziales und Integration sollen kontinuierlich über das Ergebnis der Erörterungen zum Erreichen einer Hebammen- und Entbindungspfleger-Ausbildung in der Region informiert werden.


Begründung:

Die Geburten im Kreis Siegen-Wittgenstein wie in Südwestfalen nehmen zu, während gleichzeitig die Zahl der Hebammen deutlich zurückgeht. Diese tragen jedoch nicht nur einen hohen Anteil an einer menschenwürdigen Geburtskultur, sondern stellen auch einen wesentlichen Teil eines regionalen Unterstützungssystems mit koordinierten Hilfsangeboten für Eltern und Kinder ab dem Beginn der Schwangerschaft dar.

Hebammen sorgen im Idealfall für das gesundheitliche und emotionale Wohl von Frauen, Kindern und Familien. Sie begleiten Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit.
Entsprechend dem Hebammengesetz (HebG) sollen Hebammen bzw. Entbindungspfleger bereits ab einem positiven Schwangerschaftstest die Schwangere unterstützend beraten und begleiten, ebenso nach Fehlgeburten oder Adoptionen.

Derzeit bieten zehn Fachschulen in Nordrhein-Westfalen die Ausbildung zu Hebammen  an. Keine davon befindet sich in Südwestfalen. Bewerbungen aus der Region werden bundesweit an Ausbildungseinrichtungen gerichtet. Ihre Zahl übersteigt deutlich die der Ausbildungsplätze.

Es konnte recherchiert werden, dass einer kurzfristigen Realisierung eines Ausbildungsangebotes für Hebammen bzw. Entbindungshelfern prinzipiell nichts entgegensteht; gesonderte Bedarfsprüfungen oder behördliche Genehmigungsvorbehalte wären nicht zu überwinden.


Aus Berichten von werdenden Müttern wird deutlich, dass es immer schwieriger wird, eine Hebamme für die Betreuung in der Schwangerschaft und nach der Geburt zu finden. Ebenso beklagen Krankenhausträger einen Personalmangel an Hebammen. Es gilt, der besonderen Bedeutung für eine flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe und der Geburtshilfe gerecht zu werden.
Ergänzend kommt hinzu, dass eine EU-Richtlinie die vollständige Akademisierung der Hebammenausbildung fordert und eine mindestens zwölfjährige Schulausbildung als Zugangsvoraussetzung festlegt.
Insofern könnte dem Zusammenwirken einer Ausbildungseinrichtung mit der Universität Siegen und den Siegener Kliniken, insbesondere auch der Kinderklinik, eine ganz besondere Vorbild- oder Vorreiterrolle zukommen.

Expertisen weisen darauf hin, dass Hebammen jungen Müttern und Vätern Sicherheit im Umgang mit ihren Kindern vermittelten, was auch die medizinische Versorgung erleichtere und letztlich dem Gesundheitssystem hohe Folgekosten erspare. Die Betreuung durch Hebammen und Entbindungspfleger zählt des Weiteren zum Teilbereich von Kinderschutz und Prävention, leistet alltagspraktische Unterstützung und fördert Beziehung- und Erziehungskompetenz von werdenden und gerade gewordenen Eltern.

Allerdings würden aktuell den Müttern oft schon nicht in ausreichender Weise Hebammenleistungen zur Verfügung gestellt. Ab der Vermutung einer Schwangerschaft besteht Anspruch auf Hebammenhilfe ohne eine Begrenzung der Hilfeleistungen während der Schwangerschaft.
Bis zum 10. Tag nach der Geburt besteht ein Anspruch auf bis zu 2 täglichen Besuchen durch die Hebamme. Danach sind noch 16 Wochenbettbesuche der Hebamme möglich bis das Kind zwölf Wochen alt ist. Bei Stillschwierigkeiten oder Ernährungsproblemen, so die Hinweise, können anschließend noch achtmal Hebammenhilfe bis zum Abstillen gewährt werden. Weitere Besuche sind auf Verordnung eines Arztes möglich.
Diese umfangreiche Inanspruchnahme sei aber gegenwärtig durchweg nicht der Fall, kann dieser individuelle Versorgungs- bzw. Betreuungsanspruch nicht realisiert werden und verfällt quasi. Vielfach fehle den jungen Familien aber auch das Wissen um den umfassenden Betreuungsanspruch von Hebammen. Hier bestehe erhöhter Aufklärungsbedarf.
Häufig entstehe aus der Tatsache, dass junge Mütter heutzutage oft allein oder weiter weg von ihrer elterlichen Familie leben und so Eltern/Großeltern nicht in dem Maße zur Hilfe zur Verfügung stehen, sogar ein vermehrter Unterstützungsbedarf.

Der wünschenswerte Leistungsumfang setzt allerdings voraus, dass auch genügend Hebammen und Entbindungspfleger ausgebildet werden und diese akzeptable Arbeitsbedingungen vorfinden.
Nach vorliegenden Informationen gab es 2016 bundesweit 18.032 freiberuflich tätige Hebammen, von denen jedoch nur 5.248 eine Geburtshilfe anbieten. Hierfür maßgeblich dürfte der Anstieg der Versicherungsprämien sein. Nach Angaben des Deutschen Hebammenverbandes lagen diese für freiberufliche Hebammen mit Geburtshilfe 2009 bei rd. 2.370 Euro, während 2018 von einem Betrag von 8.174 Euro die Rede ist. Für freiberufliche Hebammen ohne direkte Geburtshilfe beträgt aktuell nach Aussagen des Berufsverbandes die Versicherungsprämie rd. 458 Euro. Damit kann letztere, im Gegensatz zum oft verbreiteten öffentlichen Eindruck, kein Hinderungsgrund für die Ausbildung und Berufsausübung von Hebammen zur vor- und nachgeburtliche Betreuung sein. Gesundheits- und sozialpolitisch ist es daher unbedingt notwendig, die vom Gesetzgeber in richtiger Weise vorgesehenen Rollen und Aufgaben der Hebammen und Entbindungspfleger auch umsetzen zu können.

Für den Anspruch, dass Kinder sicher geboren werden und für die erste Prägephase mit großer Sachkunde und Empathie Hilfe erhalten, und dass Schwangerschaft und Geburt als gesunde Lebensprozesse erlebt werden können, bedarf es der Betreuung durch gut ausgebildete Hebammen. Da es nach wie vor ein gesuchter Beruf ist, sollten hierfür adäquate Ausbildungseinrichtungen bestehen.

Für den Kreis Siegen-Wittgenstein im Verbund mit den Partnern im Gesundheitswesen erscheint es uns unverzichtbar, sich mit dem zusätzlichen Bildungsangebot weiter zu profilieren und damit langfristig eine hohe Lebensqualität von Familien in unserer Region weiter zu sichern.